Nachlese zum Rechtsstreit

 

Warum gab es die Eroc-Alben nicht schon viel eher auf CD…?

Über fünf Jahre prozessierte Eroc gegen Universal, Nachfolger von Metronome und Polydor. Es ging darum, ob seine Werke, die er der Industrie in den 70ern mit speziell gestalteten Verträgen zur ausschließlichen Vermarktung auf Vinylplatten übergeben hatte, später ohne sein Wissen und ohne seine Mitsprache auf der neuen, digitalen Nutzungsart CD veröffentlicht werden dürfen, wie es Universal 1998 entgegen der vertraglichen Vereinbarungen versuchte, worauf Eroc nur der Rechtsweg blieb.

Nachdem Eroc die ersten beiden Verhandlungen beim Landgericht und beim Kammergericht Berlin gewonnen hatte, ging der Fall auf Drängen von Universal zum Bundesgerichtshof. Ab da warteten Musikindustrie und Justiz mit sehr fragwürdigen Praktiken auf, die bis hin zu Gesetzesänderungen ("Novellen") reichten und in der Rechtsgeschichte ihresgleichen suchen. Dennoch hielt Eroc in der Rolle des David gegen den Goliath durch und im April 2004 erging das finale Urteil: Erocs Klage wurde aufgrund einer „Nachbesserung“ im Urheberrecht, die die Industrie mit ihren Drahtziehern während des laufenden (!) Prozesses erreicht hatte, abgewiesen. Damit war die Musikindustrie aus dem Schneider und sämtliche Kosten blieben an Eroc hängen. Ein bizarres Beispiel, das an Bananenrepubliken erinnert: während ein Fall beim höchsten Gericht zwei Jahre lang auf Eis liegt, änderte man einen entscheidenden Paragraphen im betreffenden Rechtsbereich, um die Klage zu Fall zu bringen und einen Präzedenzfall zu verhindern. Denn hätte Eroc gewonnen, wären zahlreiche weitere Künstler diesen Weg gegangen, um ihr Recht zu bekommen, was die Industrie weltweit mehr als ins Schwitzen gebracht hätte.

So aber sah weder der BGH, der sich selbst „überrascht von der Gesetzesnovelle“ gab und sein Urteil zudem auf die völlig unsinnige Tatsache stützte, Eroc habe ja nicht vorgetragen, Urheber seiner Werke zu sein, noch die Berliner Kammer, die Erocs Kronzeugen vor ihrem finalen „revisionssicheren“ Urteil mit der lapidaren Begründung „der käme jetzt zu spät“ nicht mehr zuließ, noch das Bundesverfassungsgericht, das sich nach einer Beschwerde von Eroc ziemlich ratlos auf „verstrichene Fristen“ und „mangelndes öffentliches Interesse" berief, weiteren Handlungsbedarf. Was einmal mehr zeigt, wie die Praktiken der Gerichte hierzulande den Begriff „Rechtsstaat“ ad absurdum führen.

 

Nachtrag 2009:

Desinteresse und Inkompetenz sind noch milde Umschreibungen für diese Dinge. Was in der deutschen Rechtsprechung mitunter passiert, ist schlichtweg ein Witz. In exakt gleicher Sache (Auswertung alter Werke auf neuer, seinerzeit unbekannter Nutzungsart) bekam der Sohn von Harald Reinl, bekannt geworden u.a. durch seine Winnetou-Filme in den 60ern, vom Kölner Landgericht jetzt in zweiter Instanz Recht. Die damals auf Celluloid-Film entstandenen und vertriebenen Werke dürfen somit heute ohne seine Genehmigung nicht auf der neuen Nutzungsart DVD vermarktet werden, denn die "Nutzung neuer Wiedergabetechniken ist dem Werkschöpfer vorbehalten".

Nahezu der gleiche Fall wie bei Eroc. Nur halt ein Urteil zugunsten des Urhebers. Es darf gespannt abgewartet werden, was sich jetzt die Industrie bzw. die ihr hörige Rechtsmafia einfallen lässt, um das wieder zu kippen...